Jetzt endlich Ghetto-Faust

Hipster-Coolness und Großstadt-Gelassenheit endete für uns Typen spätestens bei der ersten Begrüßung des Abends. Dann wurde es oft sehr schnell peinlich.

Typen geben formell Hände oder lassen´s knallen, wenn zwei hohle Handflächen aufeinanderprallen. Man kann von oben, von unten oder von der Seite einschlagen, umarmen oder locker klopfen. Wie oder wann welcher Gruß in welcher Formvollendung, das wusste niemand so genau. Welch ein Stress bei jedem Akt des Aufeinandertreffens. Während der Franzose zur Begrüßung kollektiv die Bäckchen knutscht, der Japaner die Verbeugung vorzieht und der Spanier per se die Küsschen fliegen lässt und gerne ohne Umschweife zum Fummeln übergeht, gab es bei uns bis jetzt einzig ein peinliches Einschlagen, das nur in jedem 100. Fall ohne Scham und Entschuldigung nach diesem Akt auskam. Wie zwei blinde Flamingos mit ihren Hälsen waberten unsere Arme unpräzise aneinander vorbei, horizontal erhobene Handfläche traf auf Fist Bump, Flachhand-Einschlager Vertikalis traf unerwartet auf eine förmlich ausgestreckte Hand. Das Prozedere, dem sich vor allem Männer unterwarfen, separierte unser soziales Denken in drei Gruppen: Die echten Freunde, die dem Kreis der Erlauchten angehören, die wahren Homies also, die das gleiche Begrüßungsritual beherrschen und sofort daran zu erkennen sind. Die Fremden, die sich durch einen peinlichen Fehlpass und dämlichem Rumgewuchtel ihrer Extremitäten als totale Hampel outeten. Und die Damen dieser Welt, die man aus der verschworenen, brüderlichen Gruppe komplett außen vor lässt und mit einer freundlich ausgestreckten Hand begrüßt; so dämlich dabei grinsend, dass selbst Knigge dir die Patschhand ins Gesicht simsen würde.

All dies hat seit der letzten Grippewelle endlich ein Ende gefunden. Um die Ansteckungsgefahr zu mindern, hieß es in Deutschland plötzlich ganzheitlich: Ghettofaust. Und es scheint dabei zu bleiben. Schon werden erste Damen in den Kneipen mit dem neuen Volks-Bro-Code begrüßt wie eingeschworene Kumpels, überall prallen in letzter Zeit die Fäuste aufeinander. Ein entspanntes Grinsen macht sich allabendlich breit und schwingt durch Deutschlands Großstädte, weil einfach jeder Gruß gelingt. Früher hat man lachend „yeah!“ gerufen und mit dem Zeigefinger auf sein Gegenüber gezeigt, wenn mal ein lautes Plopp aus dem Gruß erschallte. So sehr haben wir uns gefreut, dass die Begrüßung klappte. Das hat nun ein Ende: Selbst Markus Lanz gibt Ghettofäuste, nur eine Frage der Zeit, bis sich Claus Kleber einreihen wird. Ich jedenfalls freue mich, dass wir dieses Problem endlich lösen konnten. Es kann so einfach sein.

Bjoern Hering

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