HATARI – Mit Hass zum Eurovision Song Contest


Hatari / Foto: Ásta Sif Árnadóttir

Beim diesjährigen Eurovision Song Contest im Mai 2019 vertritt die Industrial Band Hatari das sonst eher verträumte Island. Ihr Bandname („Hater“) passt allerdings gar nicht in das glamouröse und kitschige Eurovision Konzept. Wir haben die kontrovers diskutierten Musiker der nordischen Insel live beim Iceland Airwaves Festival im November 2018 angeschaut und waren durchaus überrascht.

Zugegeben, der Eurovision Song Contest ist für wahre Musikliebhaber die reinste Gruselveranstaltung. Immer gleich klingende Popsternchen präsentieren langweilige Songs und wackeln dabei eingehüllt in Tüll über eine viel zu pompöse Bühne. Umso mehr waren wir erstaunt, dass die isländische Schockband Hatari, welche wir auf einem gemütlichen Indie Festival in Reykjavík erlebt haben, als Vertreter für ihr Land nominiert wurde. Erlebt, das bringt es absolut auf den Punkt. Hatari provozieren bei ihren Auftritten mit aggressivem und brutalem Sprachgesang, auffälligen Sadomaso- und Diktatorkostümen, antipolitischen Songtexten, zwei latexhäutigen, professionellen Tänzerinnen und einem Tänzer in lasziven Posen zu hartem Industrial Sound. Die Band selbst bezeichnet sich als antikapitalistisches Projekt und nimmt ihre Teilnahme am Finale des ESC 2019 nicht besonders ernst. Mit viel Ironie startet die Band in den Contest, und verfolgt man ihre gut gepflegten sozialen Kanäle, dann entdeckt man ziemlich sympathische Kerlchen hinter der harten Fassade. Eine weichere Seite zeigt vor allem Bandmitglied Einar Stefánsson, welcher als Drummer in der isländischen Band Vök verträumten Indie-Pop spielt und zuletzt als Vorband der Editors sogar in der Warsteiner Music Hall in Dortmund zu sehen war.

Beim ersten Vorhören des Line-Ups vor unserem Flug nach Island waren wir bei der Band Hatari eher skeptisch, aber auch neugierig. Vor Ort hat es uns umgehauen. Musikalisch besser als erwartet, haben Hatari eine unglaubliche Energie und Wirkung bei ihren Auftritten, was sich magisch auf ihr Publikum überträgt und die Stimmung ins Extreme potenziert. Das ist vermutlich auch einer der Hauptgründe, weshalb die Isländer diese Band in solchem Maße feiern. Allgemein geht es in Island eher derbe zu. Raue Natur, extreme Wetterverhältnisse und ein weit verbreiteter Glaube an Elfen prägen das Land. Ein Leben hier ist nichts für zart besaitete: Deftiges Essen, pragmatische Kleidung und auch eine ausgeprägte alternative Musikszene mit sehr lauten Konzerten, fernab des Mainstreams, spiegeln den Geschmack der Isländer wieder. Die Bewohner des flächenmäßig zweitgrößten Inselstaats Europas, mit gerade mal der Hälfte der Einwohner Dortmunds, legen seit jeher einen großen Wert auf Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt. Dadurch entsteht auch in der isländischen Musikszene eine starke Gemeinschaft, welche die lokalen Künstler wesentlich mehr unterstützt, als wir es jemals in Deutschland wahrgenommen haben. Bei kaum einem anderen Konzertbesuch haben wir ein derart tobendes, pulsierendes Publikum aus Island und aller Welt bestaunen können, als in dieser besonderen Nacht in Reykjavík.

Hatari und ihre Tänzer / Foto: Eurovision Song Contest

Als Nicht-EU Mitglied entwickelt Island am äußersten Rande des europäischen Kontinents ein interessantes Eigenleben. Hatari spielen mit antipolitischen und europakritischen Texten, in ihrem Song „Hatrið mun sigra“ („Hass wird siegen“)  für den Eurovision Song Contest propagieren sie damit, dass Europa untergehen wird. Ein Beitrag für Eurovision, der es in sich hat – und bitter notwendig ist. Bedingt durch die Teilnahme dieser durchaus ambivalenten Band könnte dieser Eurovision Song Contest, ausnahmsweise, doch sehr spannend werden. 

Von Katharina Vollmer und Bjoern Hering

Katharina Hering

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