Dortmunds Dub-Bastler

Alien Levi, Dub-Artist aus der Nordstadt hat ein neues Album veröffentlicht / Foto: Klaus Hartmann

Alien Levi, Dub-Bastler aus der Nordstadt und Sherwood-Fan, hat ein neues Album veröffentlicht / Foto: Klaus Hartmann

In jeder Stadt gibt es sie: Die Menschen, die aktiv etwas vorantreiben und dabei völlig unbemerkt bleiben. Manche von ihnen wollen nicht bemerkt werden, andere wissen nicht, wie sie auf sich aufmerksam machen sollen – und dann gibt es auch noch die, die ihre Sache für so unwichtig oder uninteressant halten, dass sie sich gar nicht trauen, damit an die Oberfläche zu kommen. Zu der dritten Kategorie gehört der Dub-Bastler aus der Dortmunder Nordstadt: Alien Levi.

Da ihn ohnehin fast jeder nur unter seinem Künstlernamen (oder der Kurzform Levi) kennt, lassen wir seinen bürgerlichen Namen auch unerwähnt und nennen ihn einfach so, wie er es am liebsten hat: Levi. Levi jedenfalls lebt schon seit Jahrzehnten in Dortmund – zur überschaubaren Reggae-Szene zählt der Mann, der früher gegen Ende der 80er Jahre auch Teil der Dortmunder Reggae-Band „Train Ticket Band“ war, trotzdem nicht. „Als ich vor vielen Jahren auf Jamaica war, habe ich gelernt, dass das, was ich mag, dort ‚Old man’s music‘ genannt wird“, mit Dancehall hingegen kann der 50-Jährige nichts anfangen. Und weil die Reggae-Szene auch in Dortmund eher eine Angelegenheit der Jüngeren ist, hält er sich raus. Größtenteils bleibt er für sich, oder aber er hält sich an seine internationalen Connections, wie zum Beispiel seinen engen Freund Dr. Dub. Der niederländische Selector, Label-Archivar und Dub-Artist ist ebenso wie Levi ein großer Fan der englischen Reggae-Producer-Ikone Adrian Sherwood, in dessen Club Shanty Town er auch regelmäßig auflegt. Levi kann regelrecht ins Schwärmen geraten, wenn das Gespräch sich auf sein Idol gelenkt wird, selbst einen kleinen „On-U Sound“-Schrein hat er, zu dem unter anderem eines der raren original Mastertapes zählt – sogar versehen mit einer Widmung von Sherwood für Levi.

Unscheinbares Heiligtum: Ein Mastertape aus den On-U Sound Studios, mit persönlicher Widmung von Adrian Sherwood. / Foto: Klaus Hartmann

Unscheinbares Heiligtum: Ein Mastertape aus den On-U Sound Studios, mit persönlicher Widmung von Adrian Sherwood. / Foto: Klaus Hartmann

Als Verehrer des englischen Reggae und Dub ist es schon beinahe konsequent, dass der schon früh technikaffine Levi irgendwann auch selbst anfing, ein bisschen „herumzudubben“. Auch, wenn er sich keinen Plan zurechtlegte, entbehrt seine Entwicklung doch nicht einer gewissen Linearität. „Bei Train Ticket Band habe ich erst noch gesungen, später stand ich dann aber hinter dem Mischpult. Zu der Zeit habe ich dann auch angefangen, mit CDs Samples reinzumischen.“ Es folgten weitere kleine Schritte bis die ersten Overdubs (Vocals auf bestehende Dub-Songs) entstanden und Levi schließlich das aktuelle Stadium erreichte, bei dem er als Basis im Internet zur freien Nutzung bereitgestellte Stamps und Loops nimmt und diese modifiziert, bis sie so klingen, wie er es möchte.

Klassischer Dub in modernem Gewand

Den derzeitigen Höhepunkt seines Werdegangs als Dub-Künstler markiert das Anfang Oktober auf dem Label DiSfish erschienene Album „Interferences vol.2“ (hier geht’s zum kostenlosen Download). Die auf oben beschriebene Weise entstandene und mit den Stimmen von z.B. Lee Perry oder William S. Borroughs bespielte Klangkunst ist schon weit entfernt vom herkömmlichen Verständnis von Dub – weil sehr elektronisch. Aber sie ist auch sehr verschieden zu dem, was sonst heute oftmals unter „Dub“ verstanden wird. Das schöne an „Interferences vol.2“ ist nämlich, dass der Autodidakt Levi Dub alter Sherwood-Schule (also auf Roots basierend) mit Charakteristika moderner elektronischer Musikstile kombiniert. „Ich bin mit elektronischer Musik groß geworden, meine erste Platte war Kraftwerks ‚Autobahn‘. Und bis heute habe ich stets eine gewisse Nähe zu Industrial beibehalten.“ Herausgekommen ist sowas wie neuartiger Dub, der aber so viele altbekannte Merkmale behalten hat, dass man sich in seinen Klängen sofort wohlfühlt. Wer gerne ältere Musik hört, wird den Wert von Levis halb-alt-halb-neu-Dub erkennen können.

In ein paar Monaten wird Levi die Dortmunder Nordstadt verlassen und sich vorerst in Ostfriesland niederlassen. Ob ihm in einer so schläfrigen Region nicht der kreative Input fehle, fragen wir ihn. „Ach, das glaube ich nicht. Da habe ich ganz viel Zeit und Ruhe. Außerdem gibt es in Dortmund doch auch keine Szene für mich, was also sollte mir fehlen? Alles, was ich brauche, ist mein Rechner“ Vielleicht traut sich Levi vor seinem Abschied aus dem Ruhrgebiet ja doch einmal aus dem Untergrund heraus, um vor Publikum seine Platte zu präsentieren und diese mit live Dub zu garnieren. Dann wüsste er, dass seine Musik, die er „nur zum Spaß“ macht, auch anderen Leuten Freude bereitet. Und ganz vielleicht könnte er auch noch jemanden inspirieren, der seinerseits wiederum die Leute mitreißt und so weiter. Impulse und Inspiration gibt es nie genug.

 

Bjoern Hering

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