Die Unsichtbaren der Dortmunder Nordstadt

Szene aus "Die Unsichtbaren" von Benedict Wermter / Foto: Screenshot

Szene aus „Die Unsichtbaren“ von Benedict Wermter / Foto: Screenshot

Jeder kennt sie. Junge afrikanische Männer, an Straßenecken in der Nordstadt oder dunklen Parks stehend. Wer sind diese jungen Männer? Warum stehen sie dort? Warum ignoriert der Staat allzu oft, dass sie dort vor Aller Augen Drogen verkaufen?

Benedict Wermter hat sich für das gemeinnützige und investigative Recherchezentrum CORRECTIV in der Dortmunder Nordstadt umgesehen und sehr beklemmende Hintergründe zum Drogenhandel auf Dortmunds Straßen aufgedeckt. Seine Recherche über die jungen Männer aus Afrika lief als VICE-Report am 11.1.2016 auf RTL II. Der Text der Reportage wurde am 17.1.2016 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und einen Tag später auf vice.com veröffentlicht.

Sie sind Illegale, Geduldete, Asylsuchende, gefangen in einem Niemandsland der deutschen Flüchtlingsbürokratie, wie Wermter es treffend bezeichnet. Genau aus diesem Grund landen viele junge Afrikaner schnell im Drogengeschäft. Wie kommt es immer wieder dazu? Benedict Wermter hat sich mit ihnen getroffen und sie begleitet. Allen Hoffnungen und Anstrengungen zum Trotz zerbrechen die Flüchtlinge schnell an einer durch den deutschen Staat geförderten Perspektivlosigkeit, und zurück nach Afrika können sie erst recht nicht: Ihre Familien haben viel Geld bezahlt, bis zu 7.000 Euro, um sie mit Schleusern nach Europa zu schmuggeln. Jetzt erwarten sie im Gegenzug Geld und gute Nachrichten. Dass es ihren Söhnen und Brüdern in einem Land wie Deutschland schlecht geht, würden sie nicht zu glauben wagen.

 

Die Reportage berichtet über die Drogenszene Münsterstraße / Mallinckrodtstraße / Keuning Park. / Foto: Screenshot

Die Reportage berichtet über die Drogenszene Münsterstraße / Mallinckrodtstraße / Keuning Park. / Foto: Screenshot

Aus Angst, wieder abgeschoben zu werden – was bei Asylsuchenden aus afrikanischen Ländern sehr oft der Fall ist – werfen diese jungen Männer ihre Pässe weg und verschweigen auf deutschen Ämtern und vor der Polizei ihre Identität. Plötzlich heißen alle nur noch Amadou Diallo, ein Allerweltsname in Westafrika. Ohne Pass und korrekte Identifizierung erhalten die jungen Afrikaner automatisch den Status einer „geduldeten Person“, denn niemand in der deutschen Bürokratie weiß genau, wohin man diese unbekannte Person denn nun eigentlich abschieben soll. Von da an ist der Weg in die Kriminalität nur eine Frage von Tagen. Ob durch den Verkauf von Drogen auf der Straße oder das illegale Arbeiten mit für viel Geld „ausgeliehenen“ Papieren.

Benedict Wermter macht sich in seiner Reportage auf den Weg und sucht nach Amadou Diallo, und zwar in Dortmunds berüchtigtsten Ecken: dem Keuning Park, der Münsterstraße und auf der Mallinckrodtstraße. Dabei bewegt er sich grazil durch diesen Dschungel eines deutschen Niemandslandes und zeigt auf, wie zwei von ihm portraitierte afrikanische Dealer, die in der Nordstadt an der Ecke stehen, eigentlich ein erschütterndes und trauriges Produkt der deutschen Bürokratie sind. Menschlich, sehenswert und lesenswert!

 

 

Bjoern Hering

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