Die melancholische Schöne von nebenan by Bülent Kirschbaum

Bülent Kirschbaum

Lea, fotografiert von Bülent Kirschbaum und veröffentlicht von der Photovogue Italy. / Alle Fotos: © Bülent Kirschbaum Photography

Täglich werden wir überschwemmt mit Fotos von schönen Models, deren Erscheinung sich stets am vermeintlich vorherrschenden Konsens von Schönheit ausrichtet. Dabei gibt es so unglaublich viele schöne Frauen – wieso kommen sie nur so selten vor die Linse professioneller Fotografen?

Der Dortmunder Fotograf und John-Snow-Double Bülent Kirschbaum verweigert sich genau diesem Usus seiner Branche und sucht sich lieber die Frauen aus, die uns reell begegnen. Sie stehen den Damen aus Film, Fernsehen und Werbung in Nichts nach, vielmehr sind sie es eigentlich, an die wir nicht aufhören können zu denken.

Ein Problem ist natürlich, diese Frauen anzusprechen, wenn man sie nicht kennt. Die Fotografenszene hat dank einiger schwarzer Schafe einen etwas zwielichtigen Ruf – sie sind ein bisschen wie Surflehrer, stets verfolgt sie das Image, reihenweise die sich ihnen anvertrauenden Frauen flach legen zu wollen. Solche Kollegen kennt Bülent auch, „aber die fotografieren die Frauen dann nur genau einmal. Ich entwickle das Zusammenspiel lieber über einige Zeit hinweg.“ Denn beim Debütshooting seien die meisten Menschen eben noch etwas unsicher und auch zurückhaltend, was sich aber von Mal zu Mal legt. Warum aber es sich so kompliziert machen, wenn man doch auch einfach ein Model nehmen kann? „Weil genau diese Professionalität das Konzept zerstören würde. Meine Bilder leben unter anderem davon, dass die Frauen darauf einen ungekünstelten Blick in die Kamera werfen, den sie manchmal selbst nicht von sich kennen.“ Oftmals sind es genau diese winzigen Kleinigkeiten in der Mimik, die zusammen mit dem Äußeren die Schönheit der Frauen ausmachen, die auf der Straße an uns vorbeilaufen, die wir auf Parties kennenlernen, die uns in der Bahn gegenüber sitzen.

Eine weitere Besonderheit an den Fotografien von Bülent Kirschbaum, die auch auf der Website der italienischen Vogue zu sehen sind, ist diese Melancholie, die ihnen innewohnt und die sie ihrem Betrachter entgegenrufen. Mittels bis auf ein antagonistisches Minimum reduzierte oder dunkel gehaltene Farben und eine schlichte bis karge Umgebung schafft der Lockenkopf eine dichte, dunkle, aber keineswegs triste sondern vielmehr anmutige Atmosphäre. Auf diesem Wege könne er auch diese traurige Seite an sich ausleben, meint Bülent – womit er unsere nächste Frage geradezu provoziert: Ob er denn ein trauriger Mensch sei. Seine Antwort ist entwaffnend und macht klar, dass er jemand ist, der eher zu viel als zu wenig nachdenkt: „Sind wir das denn nicht alle irgendwie?“

Meistens zieht der Bewunderer der Werke von Richard Avedon mit seinen hübschen Frauen durch Aplerbeck, stellt sie (abhängig davon, was die betreffende Person möchte) mal mehr, mal weniger bekleidet vor immergrüne und trotzdem stets düster anmutende Nadelbäume, vor symbolträchtiges Efeu, auf die Terrasse eines Schrebergartenhäuschens, oder einfach vor grau-weißen Hintergrund und fotografiert sie dann so, wie sie sich eben präsentieren. Mehr als „Schau mal nach links“ oder sowas in der Art, sage er gar nicht. „Das reicht schon völlig aus. Die Gesichter sind ausdrucksvoller, wenn die Personen sich nicht ganz und gar auf die Kamera konzentrieren, weil sie sich noch Gedanken darüber machen, wie sie wohl gerade aussehen.“ 

In unseren Augen entsteht da vor bzw. durch seine Kamera richtig gutes Zeug, aber macht euch ruhig selbst ein Bild davon:

Bülent Kirschbaum

Jessica Pahl

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Der melancholische Meister himself

Bjoern Hering

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