Gorilla-Graffiti absch(affen) – Wer brüllt am lautesten?

Foto: Screenshot Nordstadtblogger.de

Ein Auftrags-Graffiti sollte ein weiteres Tor zur Nordstadt verschönern, doch nun muss dieses Bild nach Protesten wieder verschwinden. Das Motiv, ein Affe, sei rassistisch und beleidigend. Doch für wen eigentlich?

Es hätte alles so einfach sein können. Das Soziale Zentrum Dortmund und das Stadtbezirksmarketing der Bezirksvertretung Nord beauftragten ein Team aus sieben Künstler*innen der Nordstadt im November des vergangenen Jahres damit, die Seitenfassade des ehemaligen Pornokinos „Studio X“ mit einem Graffiti-Bild zu versehen. Heraus kamen Graffiti-Letter mit dem Spruch „Welcome To The Jungle“, verziert mit Dschungelmotiven und dem Abbild eines Gorillas, der die Besucher beim Betreten der Nordseite der Stadt mit lautem Gebrüll begrüßt. Eigentlich eine ganz nette Idee, jedoch sehen das nicht alle so: Nach einzelnen Beschwerden befeuerte eine Kolumne in den Ruhr Nachrichten das Thema. Schließlich kam der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Karim Fereidooni von der Ruhr-Universität in Bochum in einer Stellungnahme zu dem Entschluss, dass man das Abbild des Affen als rassistisch einstufen müsste. Jetzt soll der Gorilla wieder verschwinden. Eine absurde Entscheidung, die bei einem Bürgertreffen vor dem Wandbild getroffen wurde.

Drüben bei den Nordstadt-Bloggern könnt ihr euch das ganze Dilemma gut recherchiert zu Gemüte führen. Dort ist auch zu lesen, wie sich Frau Greschner, die Autorin der Kolumne, zu dem angeblich rassitischem Bild äußert: „Das Graffito an sich möge vielleicht harmlos sein aber es stünde in der Tradition der Diffamierung und Diskriminierung dunkelhäutiger Menschen, erfülle es doch zu viele Klischees, die diese Ableitungen zulassen würden. Auch die politische Lage, die es einer populistisch-nationalistischen Partei wie der AfD möglich mache, immer größere Wahlerfolge einzufahren, mache es notwendig, sich intensiv und differenziert mit dem Thema auseinanderzusetzen.“

Erschreckend. Wer in einem Abbild eines Gorillas direkt an Rassismus denkt, scheint in unserer neuen Welt noch nicht angekommen zu sein. Wenn Fussballfans im Stadion einen afroamerikanischen Spieler mit Affenlauten diffamieren, worauf sich die Autorin unter anderem bezieht, dann ist das in der Tat eine rassistische Attacke. Wenn Rechtsradikale ein Hakenkreuz samt dem Spruch „Affen raus!“ an die Wände des Studio X gepinselt hätten, dann wäre das eine rassistische Attacke. Im Gegensatz dazu, rappt Peter Fox von der Band Seeed den Songtext „In einer Stadt voller Affen bin ich der King“, während drei Schlagzeuger in Affenkostümen auf Trommeln eindreschen, ist das weder ein rassistisches Lied noch eine Diskriminierung aller Berliner Migranten. Ebenso verhält es sich mit dem Dortmunder Affen-Graffiti: Die Motivation der sieben Künstler*innen hat definitiv keinen rassistischen Hintergrund. Einen etwas rauen und unruhigen Stadtteil als Teil eines Großstadtdschungels zu bezeichnen ist seit Ewigkeiten Teil eines Urban-Slangs und sollte keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorholen. Das Dschungel-Motiv ist grün, beruhigend, spannend und etwas abenteuerlich. Und mit welchem Tier assoziieren wir einen Dschungel? Meist doch mit dem König des Dschungels, dem Gorilla. Wir sehen in diesem Motiv nichts anderes als einen Affen als Synonym für alle Menschen, die in diesem urbanen Dschungel leben.
Wenn es mittlerweile normal scheint, dass ein Affenmotiv übergepinselt werden muss, weil in Zeiten von AFD „der Zeitgeist einen sensiblen Umgang mit der Thematik erfordere“, dann fragen wir uns schon, ob diese Diskussion nicht mehr Rassismus schürt als verhindert. Außerdem ist es in diesem Zusammenhang erschreckend zu lesen, dass eine Hochschullehrerin ihre Schulklasse darauf sensibilisiert, Rassismus in Dingen zu suchen, die weder einen Täter noch ein Motiv vermuten lassen. Ein Wandbild dieser Art ist wahrlich kein Meisterwerk, jedoch eine Verschönerung in einem Stadtteil, der es nötig hat. Natürlich macht so ein Wandgraffiti an dieser Stelle der Stadt mehr Sinn als am Phoenixsee, wo es sowieso schon künstlich glänzt.

Am Ende des gemeinsamen Gesprächs wurde das beauftragte Künstlerkollektiv vollends diffamiert. Statt den sieben Beauftragten sollen nun lieber die Kinder in den Schulen der Nordstadt das neue Motiv in Gestaltungswettbewerben entwerfen. Der Gorilla soll definitiv wieder verschwinden. Ein solches Zurückrudern bei kleinstem Gegenwind ist weder demokratisch, noch ist es ein starkes Zeichen für eine Stadt.

Bjoern Hering

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