Wildes Dortmund: Ich liebe Dächer, ich liebe Beton


via Dortmunder Klabauter
Die Wahrnehmung von Ruhrgebiets-Ästhetik kann durchaus verschieden sein. Ich habe da mein ganz eigenes Verständnis von urbaner Schönheit. In der YouTube-Serie DORTMUNDER KLABAUTER nehme ich euch mit an die interessantesten Spots in Dortmund. Ein wildes Dortmund. Aber von vorne.

Ich bin ein Kind des Ruhrpotts. Geboren in Dortmund, einige mal umgezogen in Dortmund, immer noch in Dortmund. Schon als ich 13 war, robbten wir auf den gigantischen Gichtgasrohren quer durch den damals noch laufenden Betrieb der Stahlwerke Phoenix West und der Heinrichshütte (an deren Stelle sich jetzt der Phoenixsee befindet). Wir erkundeten alte Halden oder rannten durch damals schon verlassene Werkshallen. Noch früher davor erinnere ich mich noch an den allabendlichen, glutroten Himmel, wenn das Konvertergas auf der 98 Meter hohen Fackel in Hörde in einer gigantischen Stichflamme abgeblasen wurde oder die Eliasbahn flüssig-glühendes Eisen von einem Werk quer durch Dortmund Hörde zum anderen Werk im Osten transportierte. Dass die gigantischen Rohrsysteme der Hörder Stahlwerke unsere Stadt bis hoch zur Kokerei Hansa zerschnitten und sich durch – und oft auch über – die Straßen schlängelten, war für mich ein völlig normales Bild. Dann verschwand all dies. Die Werke. Die Hallen, die riesigen Brauereien. Ganz langsam. Und jetzt vermisse ich das alles ein wenig.

Ganze Bahnhöfe tauchen unter dem grünen Deckmantel aus Baumwipfeln auf, wenn man nur weiß wo

Industriekultur nennen wir das, was übrig geblieben ist. Ein goldener Gral für alle Stadtplaner. Ein paar Ruinen werden rausgeputzt und in Parkanlagen oder neue Gewerberäume integriert. Das meiste jedoch, was unsere Landschaft hier für die letzten 200 Jahre prägte, verschwindet für immer. Über 150 Jahre alte, gigantische Werksanlagen, in denen Generationen von Arbeitern ganz neue soziale Strukturen definierten sind vollkommen vom Erdboden verschwunden. Vollkommen? Nicht immer. Wer Dortmund mal ausgiebig auf Google Maps studiert, dem fallen vielleicht die vielen grünen Schneisen auf, die sich durch die Stadt winden. Alte, längst vergessene Bahntrassen. Versorgungswege. Vergessene Verladeanlagen. Ganze Bahnhöfe tauchen unter dem grünen Deckmantel aus Baumwipfeln auf, wenn man nur weiß wo. 


Mal ehrlich: Es gibt doch kaum etwas spannenderes, als mitten in einem Wald auf plötzlich auftauchenden, verwilderten Bahngleisen entlang zu wandern, oder? Noch dazu, wenn dieser Wald mitten im Zentrum vom Dortmund ist! Täglich passieren wir mit dem Wagen diese Stellen und sehen sie nicht. Einige von euch nutzen mittlerweile ausgebaute alte Bahnstrecken als Radwege quer durch die Stadt. Doch da draußen schlummert noch mehr. Ein wildes Dortmund. Vergessen. Unerschlossen. Nur drei Meter neben dem Bürgersteig.

An diesen Orten bin ich mitten unter Menschen und doch meist vollkommen allein

In einer Stadt, in der jeder Quadratmeter privatisiert und erschlossen scheint, sind solche Stellen für mich die eigentlichen goldenen Grale. Ich liebe die Ästhetik von Verfall und geschichtsträchtigem Beton, den sich die Natur langsam zurückholt. Es gibt viele Menschen da draußen, die können das nicht nachvollziehen. Sie freuen sich darauf, wenn Dortmund im Jahr 2027 im Rahmen der Weltgartenschau wieder ein Stück mehr herausgeputzt wird. Ich dagegen habe Angst, das wir dann weitere authentische, geheimnisvolle Orte in der Stadt verlieren werden. Ich sehe die Stadt halt immer in all ihren Dimensionen. Ich lebe hier und ich will mich auf jedem mir zur Verfügung gestelltem Meter bewegen dürfen. An den von mir dokumentierten Orten bin ich mitten unter Menschen und doch meist vollkommen allein. Ich finde Entspannung im Erkunden. Ich sehe Seiten der Stadt, die viele nie zu Gesicht bekommen, obwohl sie jeden Tag mit dem Wagen oder mit dem Rad daran vorbeifahren. Habt ihr euch wirklich nie gefragt:“ Hey, was ist denn eigentlich hinter dieser Wand oder hinter dieser alten Tür in der Brücke?“ Ich habe mich das schon immer gefragt. Und ich habe mir angewöhnt, nachzuschauen, was dahinter ist. Enttäuscht worden bin ich noch nie 😉

In meiner YouTube Serie Dortmunder Klabauter führe ich euch an solche Orte. Dabei beschränke ich mich nicht gänzlich auf Industrie-Ruinen, sondern besuche viele verschiedene Spots in der Stadt, die ich magisch finde. Ganz oben, ganz unten, ganz weit im Westen oder bei dir nebenan. Wer weiß, wo ich als nächstes lande.

Ich liebe Dächer, ich liebe Beton. Dabei mache ich kein Geheimnis aus den Orten, die ich besuche, auch wenn ich nicht detailliert erzählen werde, wie man sie genau erreicht. Von der in der Urbex- und Geocaching-Szene (Urban Explorer, Anm. d. R.) beliebten Geheimniskrämerei halte ich allerdings nicht viel. Die Stadt gehört allen Menschen, gewöhnt euch dran. Man muss nicht glauben, dass sich die Dortmunder darum reißen, in einem verlassenen, stinkenden Kellergewölbe herumzulaufen. Und die, die es machen wollen, kommen sowieso früher oder später. 


Trotzdem sind es oft die vergessenen Überreste der Stahlwerke und Zechenanlagen, die den Einstieg in die nächste Tour geben. Sie sind halt einfach überall im Stadtbild vorhanden, auch wenn sie immer mehr verschwinden. Dazu tummelt sich ein bunter Mix aus Graffiti, wilder Natur und das Gefühl, an einem vergessenen, sowie zeit- und gesetzlosen Ort zu sein. Nun ja, das letzte stimmt nicht ganz. Egal, wo ihr euch tummelt, erwünscht seit ihr dort meist trotzdem nicht. Macht also nichts illegales, ihr Klabauter.

alle Fotos: LJOE / Dortmunder Klabauter  ///   Folge dem Dortmunder Klabauter auf YouTube.

Bjoern Hering

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