Nach 15 Jahren ein letzter Besuch: Das Spirit schließt

Foto: Icanteachyouhowtodoit / Flickr / License: CC BY-NC-ND 2.0

Am 30.6. wird im Spirit nach 30 Jahren das Licht ausgehen. Auch wenn ich es nie wieder tun wollte – ich habe dem Club nach fast 15 Jahren Abstinenz noch einmal einen Besuch abgestattet.

„Ich gehe nie wieder ins Spirit.“ Das hat wohl jeder von uns schon irgendwann in den letzten 30 Jahren einmal gesagt. Sei es wegen dem fiesen Zapfbier, das für echte Kopfschmerzen am nächsten Tag sorgen kann, an der hemmungslosen Partynacht, die für genauso viel Knutsch- wie auch blaue Flecken sorgt, oder an den Türstehern, die mich auch schon einmal mit einem Baseballschläger in der Hand darauf aufmerksam gemacht haben, dass ich meine Karte überzogen habe.

Rockergangs, derbe laute Musik und das ewige Mysterium einer in der Wand eingemauerten Leiche spuken seit ich denken kann um Dortmunds Gitarren-Rock-Disko Number One: Das Spirit. Der Laden, der mich wie so viele andere Dortmunder Kids bis in die späten 1990er Jahre geprägt hat wie kein zweiter, schließt nächsten Samstag seine Türen. Für immer? Das wissen wir noch nicht. Fest steht auf jeden Fall eines: so ein Gefühl wie damals zu den späten 1990er Jahren, als Grunge, Stonerrock und die ewigen Chili-Peppers unsere Trommelfelle auf dem Tanzfloor des Spirits zerstörten, wird es wohl nicht mehr geben. Mit dem Ende des Spirit stirbt nicht nur eine weitere Discothek, sondern auch ein Stück Rock-Subkultur in Dortmund. „Ach, Zeit für einen letzten Besuch“, dachte ich mir letzten Freitag.

Wie immer: Vorbei an den Türstehern, das gleiche mulmige Gefühl wie damals. Mitterweile habe ich graue Haare am Kinn, fühle mich beim Betreten des Ladens aber wieder als wäre ich 18. Ich biege um die Ecke und Bumm! Da ist dieses Gefühl von damals, strömt durch meine Beine und entert meinen Kopf – genauso wie bei geschätzten 400 anderen Besuchern, der Laden ist rappelvoll. Die Musik dröhnt wie eh und je, The Offspring wird gespielt und der ganze Laden gröhlt lauthals mit:“ Laaaalaaa laalaalaaa, Laaaalaaa, laalaalaa!“. Rumms, Pogo, erster blauer Fleck, erstes Bier auf dem T-Shirt. Shit, ich werde immer jünger, schiebe mich zur Bar und bestelle mir ein Zapfbier – der nächste Tag wird es mir danken, denn es wird nicht mein letztes sein.

Die Klos stinken nach 30 Jahren so derbe nach Urin, dass mir die Augen brennen
Nichts hat sich hier verändert, die Musik ist gleich, die Stimmung, die Menschen pogen auf der Tanzfläche, man drängelt und schubst und die Klos stinken nach 30 Jahren so derbe nach Urin, dass mir die Augen brennen. Die gleichen aufgemalten Flammen zieren die Wände, mittlerweile etwas vergilbt und abgeblättert. Ich erinnere mich zum ersten Mal seit ewigen Jahren daran, dass wir mit meiner Band Speedway 69 damals genau solche Flammen als Bühnendeko hatten ich damals schon überrascht dachte: Hey, das sind ja die gleichen Flammen! Fundamental erschütternde Erkenntnisse wie diese prasseln die Nacht lang noch öfters auf mich ein und ich bin erstaunt, wie viele alte Bekannte ich in diesem Loch hier wiedersehe. Gegen halb vier beginnt die Metal-Phase, die Matten werden gedreht, ich torkele durch den Moshpit. Das es so etwas noch gibt, ich bin beeindruckt. Dann RAGE AGAINST THE MACHINE, das ist doch Wahnsinn. Was passiert eigentlich mit der CD-Sammlung des Ladens, frage ich mich insgeheim. Früh am Morgen bin ich raus, es ist hell, die Vögel zwitschern, mein Kopf dröhnt und irgendwie bin ich froh, dass ich diese Zeitmaschine verlassen kann. Dann werde ich melancholisch, denn es war der letzte Besuch in meiner eigenen Vergangenheit.
R.I.P., Spirit!

 

 

Bjoern Hering

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