Unser Sascha!

BisleyFinal

Sascha Bisley / Foto: LJOE

Gewalt, Drogen und Alkohol bestimmten das Leben des Dortmunder Autors Sascha Bisley.
21 Jahre später steht er auf der anderen Seite der Gesellschaft und zieht in seiner im März erscheinenden Biographie eine harte Bilanz.

Jeder kennt Sascha Bisley. Der Autor, Fotograf, Filmemacher und Sozialarbeiter polarisiert in Dortmund wie kein Zweiter. Sein Blog dortmund-diary, den er seit 2011 betreibt, erfreut sich bei breiten Bevölkerungsschichten größter Beliebtheit und machte Bisley überregional bekannt. Seine Lesungen sind oft ausverkauft, sein loses Mundwerk taktiert geschickt zwischen asozial und eloquent. Doch der Preis des Erfolges zerrt schwer an dem „tätowierten Vollasi“, wie er sich selbst gern bezeichnet. Brutalität, zahlreiche Vorstrafen und eine Gewalttat mit Todesfolge bestimmten vor 21 Jahren seinen Weg hierher. Und was in seinen Kurzgeschichten mit Kot, Blut und Kotze gern der Unterhaltung dient, ist in seiner nun erscheinenden Biografie „Zurück aus der Hölle“ leider bitterer Ernst.

Vor 21 Jahren gipfelte für Sascha Bisley eine brutale Spirale aus Hooligan-Schlägereien, Drogen und Alkohol mit dem grundlosen Überfall auf einen Obdachlosen. Der Mann stirbt an den Folgen der Gewalteinwirkung, Bisley landet im Knast. Dort erlebt er die Brutalität unter Mithäftlingen in seiner reinsten Form, er erträgt sich selbst und das aus seiner Sicht viel zu milde Urteil nicht. Ein Suizidversuch folgt, mit einem Gürtel an der Heizung. Irgendwann in diesem einsamen Jahr fasst Bisley einen tiefgreifenden Entschluss. Seine vielleicht letzte Chance auf ein halbwegs gerades Leben. 
 

„Egal, wie weit du unten bist, du hast immer eine zweite Chance“, erzählt er mir in einem Gespräch in seinem Loft in der Dortmunder Nordstadt. Nach seiner Entlassung wechselt er den Wohnsitz, die Dortmunder Nordstadt kommt ihm und seiner künstlerischen Seite gelegen. Er beginnt zu fotografieren, zu filmen, zu schreiben. Als Künstler kann er sich hier ohne Kompromisse entfalten, das bunte Sammelsurium an Menschen akzeptiert ihn hier schnell. Was folgt, ist ein rastloses Treiben aus Sühne und Kreativität, Kokainsucht, Depression und Antigewalttrainings. 

„Ich habe nach dem Gesetz gebüßt. Wenn die Gesellschaft ständig von einer zweiten Chance spricht, dann soll man sie mir auch geben.“

15 Jahre später gibt Bisley selbst Seminare für die härtesten Kids. Er besucht Schulen für das Jugendamt Dortmund, Schwerte, Iserlohn und Hemer. Im Auftrag des Innenministeriums betreut er Häftlinge, einige von ihnen aus den härtesten Familienclans des Ruhrgebiets, er berät Aufseher und Polizisten. Bisley kennt die dunkle Seite des Lebens und beide Seiten profitieren von seinem Wissen über Körpersprache, Macht und Aggression. Kritiker jedoch könnten Bisleys Weg bis hin zu einer großen Buchveröffentlichung bei dem renommierten Berliner Verlag Ullstein argwöhnisch beleuchten. Eine Läuterung und Abbitte für den Tod eines Menschen sollte für viele in der Stille stattfinden. Sie mit einem Buchdebut in die breite Öffentlichkeit zu transportieren, wird nicht jedem gefallen. Darauf ist Bisley vorbereitet: „Es ist ein extrem offenes Buch. Ich gebe alles von mir preis“, verrät er LAST JUNKIES ON EARTH. 

Die emotionale Achterbahnfahrt, die er in den letzten eineinhalb Jahren während des Schreibens durchlebte, hat ihn nur bestätigt, dass er auf dem richtigen Weg ist. „Dieses Buch ist meine Couch. Wer mich kennt, der weiß, dass es eine logische Schlussfolgerung für mich ist, es zu veröffentlichen. Ich habe nach dem Gesetz gebüßt. Wenn die Gesellschaft ständig von einer zweiten Chance spricht, dann soll man sie mir auch geben.“ 

 Wer Sascha Bisley kennenlernt und mit ihm spricht, der merkt, dass er das Ernst meint. Die Menschen in seinem Kiez und die vielen Besucher seiner Lesungen mögen ihr Enfant terrible der Nordstadt, und das nicht ohne Grund. Schließlich haben wir alle unsere Gespenster im Keller. Bei einigen sind sie zu horrorhaften Fratzen mutiert, die einen bis ans Lebensende verfolgen werden.

 
Cover

 

An dem Abend des Interviews war sich Sascha Bisley nicht sicher, ob das Schauspielhaus Dortmund nicht doch ein wenig überdimensioniert wäre für seine Buchpremiere am 5. März 2015. Er hat sich getäuscht: Das Schauspiel war mit 500 Besuchern ausverkauft, weitere 150 Fans standen auf der Warteliste. Ein Riesenerfolg, der alle Erwartungen übertraf.

Einen tollen Mitschnitt des Abends haben die Affen.Auf.Ruhr auf Youtube veröffentlicht:

 

„Zurück aus der Hölle“
Vom Gewalttäter zum Sozialarbeiter
224 Seiten
ISBN-13 9783843710442

 
 
Bjoern Hering

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4 comments on “Unser Sascha!”

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